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Тема: Любимые стихи

Zeit

Ich sehe der Zeit zu.
Sie vergeht nicht
im Leben der Steine.

Doch langsam, und sicher
wie nichts sonst
sinkt, in den Zweigen.

Kurt Drawert

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Re: Любимые стихи

Nächtlicher Gang

Nichts ist vergleichbar. Denn was ist nicht ganz
mit sich allein und was je auszusagen;
wir nennen nichts, wir dürfen nur ertragen
und uns verständigen, daß da ein Glanz
und dort ein Blick vielleicht uns so gestreift
als wäre grade das darin gelebt
was unser Leben ist. Wer widerstrebt
dem wird nicht Welt. Und wer zuviel begreift
dem geht das Ewige vorbei. Zuweilen
in solchen großen Nächten sind wir wie
außer Gefahr, in gleichen leichten Teilen
den Sternen ausgeteilt. Wie drängen sie.

Rainer Maria Rilke

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Re: Любимые стихи

Die Rose

Liebe ist wie wildes Wasser
Das sich durch Felsen zwängt
Liebe ist so wie ein Messer
Das Dir im Herzen brennt
Sie ist süß, und sie ist bitter
Ein Sturm, Wind und ein Hauch
Für mich ist sie eine Rose
Für Dich ein Dornenstrauch

Wer nie weint und niemals trauert
Der weiß auch nichts vom Glück
Wer nur sucht, was ewig dauert
Versäumt den Augenblick
Wer nie nimmt, kann auch nicht geben
Und wer sein Leben lang
Immer Angst hat vor dem Sterben
Fängt nie zu Leben an

Wenn Du denkst, Du bist verlassen
Und kein Weg führt aus der Nacht
Fängst Du an, die Welt zu hassen
Die nur and're glücklich macht
Doch vergiss nicht, an dem Zweig dort
Der im Schnee beinah' erfror
Blüht im Frühjahr eine Rose
So schön wie nie zuvor

Die Rose в исполнении очаровательной Хелены Фишер

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Re: Любимые стихи

ОФФ: Открыл ссылку и ооочень удивился... Очень красивая девушка, думаю ну ничего себе, вот оказывается какие бывают немки/австрийки. Потом почитал Википедию - а, не, все нормально: "Елена родилась в Красноярске 5 августа 1984 года в семье Петра и Марины Фишер."  big_smile

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Re: Любимые стихи

Я на неё то же смотрела- смотрела. Наряды такие интересные, и вообще что-то такое в ней есть, я то же заинтересовалась. А как оказалось-она- русская немка, ей было 3 года, когда переехала с родителями в Германию. А на русском то  же поёт замечательно!

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Re: Любимые стихи

//off

... да и в олимпийской команде Германии тоже с русскими корнями есть - Регина Сергеева (Regina Sergeeva -Rhythmische Sportgymnastik) в полной её красе в последнем номере Плейбоя  smile

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Re: Любимые стихи

Здорово, спасибо за песню! Такими простыми словами столько смысла.

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Re: Любимые стихи

... такие песни называются "Schnulze"  smile 
Для изучения языка - самое оно  smile

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Re: Любимые стихи

а это - для изучения диалекта smile

Jetzt san die Tog schon kiazer word'n
Und Blattln foilln a von die Bäum,
Und auf'm Oilmasattl liagt scho Schnee

A koider Wind waht von die Berg,
Die Sonn is a scho unterganga
Und i hätt di gern in meiner Näh

Jetzt bist so weit, weit weg,
So weit, weit weg von mir
Jetzt bist so weit, weit weg,
So weit, weit weg von mir
Das tuat mir schiach - und wia

Du woarst wia der Sommerwind
Der einifoahrt in meine Hoarn,
Als wia a woarmer Regen auf der Haut

Ich riach' nau deine nassen Hoar,
I spiar' nau deine Händ im G'sicht
Und wie du mir ganz tief in d' Augen schaust

Jetzt bist so weit, weit weg

Das tuat mir schiach - kumm her zu mir

Jetzt is bald a Monat her
Daß mir uns noch g'halten habn
Und in unsere Arm versunken san

Manchmal ist's mir gestern wars,
Und manchmal wia a Ewigkeit
Und manchmal hab i Angst, es woa a Traum

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Re: Любимые стихи

Ein Beitrag zur Statistik


Von hundert Leuten:

Besserwisser
- zweiundfünfzig,

unsicher auf Schritt und Tritt
- fast der ganze Rest.

hilfsbereit,
wenn es nicht zu lange dauert
- ganze neunundvierzig,

immer gutmütig,
denn sie können es nicht anders
- vier, na vielleicht fünf,
fähig zu bewundern ohne Neid
- achtzehn,

irregeleitet
durch die Jugend, die vergeht
- plus minus sechzig,

mit denen nicht zu scherzen,
- vierzig und vier,
die in ständiger Furcht leben
vor jemandem oder etwas
- siebenundsiebzig,

mit einer Begabung für das Glück
- höchstens über zwanzig,

einzeln ungefährlich,
wild in der Masse
- sicher über die Hälfte,

grausam,
wenn die Umstände sie zwingen
- das sollte man besser nicht wissen
auch nicht annähernd,

aus Schaden klug
- nicht viel mehr
als klug vor dem Schaden,

die dem Leben nichts abgewinnen außer Sachen
- dreißig,
obwohl ich mich gern irrte,

geduckt, leidend
und ohne Taschenlampe im Dunkeln
- dreiundachtzig
früher oder später,

gerecht
- ziemlich viele, weil fünfunddreißig,

wenn diese Eigenschaft sich verbindet
mit der Mühe zu begreifen
- drei,

bemitleidenswert
- neunundneunzig,

sterblich
- hundert von hundert.
Eine Zahl, die bislang unverändert bleibt.


Wisława Szymborska

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Re: Любимые стихи

So viele antworten gibt's…

So viele antworten gibt's,
doch wir wissen nicht zu fragen
Das gedicht
ist der blindenstock des dichters
Mit ihm berührt er die dinge,
um sie zu erkennen

Reiner Kunze

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Re: Любимые стихи

Etwas über die Seele


Die Seele hat man gelegentlich.
Niemand hat sie ohne Unterlass
und auf Dauer.

Tag um Tag,
Jahr um Jahr
kann ohne sie vergehen.

Nur in der Begeisterung
und den Ängsten der Kindheit
nistet sie sich manchmal auf länger ein.
Manchmal nur im Befremden,
dass wir alt geworden sind.

Selten begleitet sie uns
bei mühseligem Tun
wie Möbelrücken,
Kofferschleppen
oder weiten Wegen in engen Schuhen.

Beim Ausfüllen von Fragebögen
und Fleisch hacken
hat sie in der Regel frei.

Von tausend unserer Gespräche
beteiligt sie sich nur an einem,
und das auch nicht unbedingt,
denn sie liebt es zu schweigen.

Wenn unser Körper beginnt, uns mit Schmerzen zu plagen
stiehlt sie sich heimlich aus dem Dienst.

Sie ist wählerisch:
ungern sieht sie uns in der Masse,
unser Kampf um kleine Vorteile
und schnatternde Geschäfte.
widert sie an

Freude und Trauer
sind für sie keine unterschiedlichen Gefühle.
Nur wenn sie sich verbinden,
wohnt sie uns bei.

Wir können auf sie zählen,
wenn wir uns keiner Sache sicher sind
und auf alles neugierig.

Von den materiellen Dingen
liebt sie Pendeluhren
und Spiegel, die beständig arbeiten,
auch wenn niemand hinschaut.

Sie sagt nicht, woher sie kommt
und wann sie uns wieder verlässt,
aber sie wartet offensichtlich auf diese Frage.
Es hat den Anschein,
dass so wie sie uns,
auch wir
sie zu etwas brauchen.


Wislawa Szymborska

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Re: Любимые стихи

Von allen Werken

Von allen Werken, die liebsten
Sind mir die gebrauchten.
Die Kupfergefäße mit den Beulen und den abgeplatteten Rändern
Die Messer und Gabeln, deren Holzgriffe
Abgegriffen sind von vielen Händen: solche Formen
Schienen mir die edelsten. So auch die Steinfliesen um alte Häuser
Welche niedergetreten sind von vielen Füßen, abgeschliffen
Und zwischen denen Grasbüschel wachsen, das
Sind glückliche Werke.

Eingegangen in den Gebrauch der vielen
Oftmals verändert, verbessern sie ihre Gestalt und werden Köstlich
Weil oftmals gekostet.
Selbst die Bruchstücke von Plastiken
Mit ihren abgehauenen Händen liebe ich. Auch sie
Lebten mir. Wenn auch fallen gelassen, wurden sie doch getragen.
Wenn auch überrannt, standen sie doch nicht zu hoch.
Die halbzerfallenen Bauwerke
Haben wieder das Aussehen von noch nicht vollendeten
Groß geplanten: ihre schönen Maße
Sind schon zu ahnen; sie bedürfen aber
Noch unseres Verständnisses. Anrerseits
Haben sie schon gedient, ja, sind schon überwunden. Dies alles
Beglückt mich.

Bertold Brecht

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Re: Любимые стихи

Handinneres


Inneres der Hand. Sohle, die nicht mehr geht
als auf Gefühl. Die sich nach oben hält
im Spiegel
himmlische Straßen empfängt, die selber
wandelnden.
Die gelernt hat, auf Wasser zu gehn,
wenn sie schöpft,
die auf den Brunnen geht,
aller Wege Verwandlerin.
Die auftritt in anderen Händen,
die ihresgleichen
zur Landschaft macht:
wandert und ankomt in ihnen,
sie anfüllt mit Ankunft.


Rainer Maria Rilke

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Re: Любимые стихи

Mein scheuer Mondschatten spräche gern
mit meinem Sonnenschatten von fern
in der Sprache der Toren;
mitten drin ich, ein beschienener Sphinx,
Stille stiftend, nach rechts und links
hab ich die beiden geboren.

Rainer Maria Rilke

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Re: Любимые стихи

An allen Dingen fühlt sich neu die Frühe.
Der schöne Wind geht eitel durch den Hain.
Oh sieh das Blühen: innen ist die Mühe;
kaum tritt es aus, ist es ein Seligsein.

Rainer Maria Rilke

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Re: Любимые стихи

Was es ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinning
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Erich Fried

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Re: Любимые стихи

Oh sage, Dichter...


Oh sage, Dichter, was du tust?

    - Ich rühme.

Aber das Tödliche und Ungetüme,
wie hältst du's aus, wie nimmst du's hin?

    - Ich rühme.

Aber das Namenlose, Anonyme,
wie rufst du's, Dichter, dennoch an?

    - Ich rühme.

Woher dein Recht, in jeglichem Kostüme,
in jeder Maske wahr zu sein?

           - Ich rühme.

Und daß das Stille und das Ungestüme
wie Stern und Sturm dich kennen?

     : - weil ich rühme.


Rainer Maria Rilke

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Re: Любимые стихи

Rauch

I

Es muß eine Sucht sein, eine gewaltige Begierde
in den kleinen Körpern der Falter,
wenn sie, unbeeindruckt vom Tod
aller Toten, und wenig begabt
zur Erkenntnis , wieder und wieder
die Quellen des Lichtes aufsuchen,
als gäbe es keine anderen Ziele
in der Welt eines Zimmers, seichtere,
gröbere.

II

Manchmal hören wir es, dieses kurze,
zischende Geräusch
vom Brand ihrer Flügel,

die Passion einer Liebe,
die Sekunde danach.
Dann, in feinen, silbernen Linien,

steigt Rauch auf zur Decke,
die wir beharrlich
mit dem Himmel verwechseln.


Kurt Drawert

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Re: Любимые стихи

Dich

Dich
dich sein lassen
ganz dich

Sehen
dass du nur du bist
wenn du alles bist
was du bist
das Zarte
und das Wilde
das was sich losreißen
und das was sich anschmiegen will

Wer nur die Hälfte liebt
der liebt dich nicht halb
sondern gar nicht
der will dich zurechtschneiden
amputieren
verstümmeln

Dich dich sein lassen
ob das schwer ist oder leicht?
Es kommt nicht darauf an mit wieviel
Vorbedacht oder Verstand
sondern mit wieviel Liebe und mit wieviel
offener Sehnsucht nach allem -
nach allem
was du ist

Nach der Wärme
und nach der Kälte
nach der Güte
und nach dem Starrsinn
nach deinem Willen
und Unwillen
nach jeder deiner Gebärden
nach deiner Ungebärdigkeit
Unstetigkeit
Stetigkeit

Dann
ist dieses
dich dich sein lassen
vielleicht
gar nicht so schwer


Erich  Fried